Online, aber nicht allein – Über soziale Beziehungen in Games
von Pauline Rothfuß
Das Klischee vom einsamen Gamer, der stundenlang allein vor dem Bildschirm sitzt, keine Freund/-innen hat und nur mit sich selbst spricht, kennen wir alle – es ist jedoch längst überholt. Im Zeitalter von Online-Games ist es möglich, sich über Gruppenchats, Multiplayer-Spiele und Gaming-Communities mit anderen Spieler/-innen zusammenzuschalten. So entstehen in und durch Games verschiedene Arten von sozialen Beziehungen – Wie wirken sich diese auf das Spielerlebnis aus?
Online-Games sind für viele ein wichtiger sozialer Treffpunkt: In einer europaweiten Umfrage von Samsung gaben 42 % der befragten Spieler/-innen im Alter von 18–44 Jahren an, sich weltweit über Online-Games mit anderen auszutauschen und in virtuellen Welten zu interagieren. Jede/r dritte Befragte gab an, durch den Austausch in Online-Games bereits neue Freund/-innen oder sogar eine/n Partner-/in gefunden zu haben.
Wenn es um soziale Beziehungen beim Gaming geht, lässt sich grundsätzlich zwischen zwei Arten unterscheiden: Entweder spielt man gemeinsam mit Freund/-innen ein Spiel an einer Konsole oder vor dem Fernseher oder man spielt online mit zufälligen, unbekannten Personen, die dasselbe Spiel spielen. Zwischen diesen Gruppen gibt es jedoch laut der Studie „Freunde fürs Leben? Zur Veränderung sozialer Beziehungen Jugendlicher durch Computerspiele“ einen wechselseitigen Einfluss: Die bereits bestehenden Freundschaften werden häufig in das Online-Spiel einer Person integriert und können durch das gemeinsame Hobby dann gestärkt werden. Neue Freundschaften, die online entstehen, können ebenso ins echte Leben übergehen, auch wenn das seltener vorkommt.
Gaming-Communities: Mehr als nur ein Spiel
Reine Online-Freundschaften entstehen über eine gewisse Zeitdauer, in der immer wieder zusammen gespielt wird. Da man mit anderen Spielern interagieren und zum Beispiel gemeinsame Aufgaben im Spiel lösen muss, sind Kommunikationsmöglichkeiten wie Voice- oder Text-Chat von Vorteil. Neben dem direkten Austausch im Spiel schließen sich viele Spieler/-innen auch Gaming-Communities an. Das sind Gruppen von Gamer/-innen, die ein gemeinsames Spiel oder Genre interessiert. Sie tauschen sich virtuell über Erfahrungen, Strategien und aktuelle Entwicklungen im Spiel aus – und nutzen die Gruppen natürlich, um mit- und gegeneinander zu spielen. Gamer/-innen nennen solche Gruppen oft Gilde oder Clan.
Gaming-Communities bilden sich entweder direkt im Spiel (In-Game), über Plattformen wie Discord oder Twitch oder über soziale Netzwerke. Dass dabei Events und Wettbewerbe organisiert werden, ist ein wesentliches Element der Gemeinschaft. Sie bieten den Spielenden die Möglichkeit, sich mit anderen zu messen, um ihre Fähigkeiten zu verbessern und sich in der Community zu etablieren. Durch Ranglisten kann man den eigenen Fortschritt im Vergleich zu anderen verfolgen, was beim Spielen motiviert.
Genau dieser Fokus auf soziale Verbindungen und gemeinsames Spielen ist mitverantwortlich für den Erfolg von Spielen wie Minecraft, Fortnite, World of Warcraft, League of Legends oder Counter-Strike. Auch Plattformen wie Xbox Live, PlayStation Network und Steam setzen gezielt auf soziale Interaktion, um das Spielerlebnis zu intensivieren und zählen weltweit Millionen Mitglieder. Solche Spiele, bei denen soziale Interaktionen, Kooperationen und Wettbewerbe mit anderen im Mittelpunkt stehen, werden auch als Social Gaming bezeichnet.
Digitale Nähe und Freundschaften
Online-Communities geben Gaming eine neue, soziale Dimension, die mit zahlreichen Chancen einhergeht: Neben der Möglichkeit für neue Spielinhalte und Interaktionen während des Spiels können sich Spielerinnen und Spieler mit Gleichgesinnten vernetzen und austauschen, was das Spielerlebnis vertieft. Beim Spielen in einer Community oder mit Freund/-innen können Tipps und Tricks zu einem Spiel besprochen werden, Fähigkeiten erlernt oder gemeinsame Taktiken erörtert werden.
Gemeinsame Herausforderungen und Events bringen Menschen mit ähnlichen Interessen zusammen. So können sich Freundschaften entwickeln oder bereits bestehende Freundschaften aufrechterhalten werden. Außerdem fördert die Interaktion innerhalb von Communities nicht nur den Teamgeist, sondern es entsteht häufig auch ein Gefühl von Zugehörigkeit und Gemeinschaft.
Zwischen Zusammenhalt und Risiko: Wann werden Communities problematisch?
Online-Games bieten Jugendlichen die Chance, soziale Fähigkeiten zu üben – und dabei Freundschaften mit ihrem Hobby zu verbinden. Besonders in dieser Altersspanne ist es jedoch auch wichtig, dass Kinder und Jugendliche Kontakte außerhalb der Gaming-Welt schließen. Online-Freundschaften können sehr leicht und harmonisch für junge Spielende wirken, da die gleichen Interessen, die gleichen Ziele und zudem eine Allgegenwärtigkeit „vorgetäuscht“ werden, vor allem im Vergleich zu manchmal komplizierten oder konfliktreichen Freundeskreisen im realen Umfeld. Für Eltern, die unsicher sind, wie ihr Kind mit sozialen Kontakten im Online-Bereich umgeht, bietet die ComputerSpielSchule auch eine Beratung an.
Social Gaming wird sowohl für Jugendliche als auch für Erwachsene schwierig, da Foren, Gruppenchats und Gaming-Interaktionen häufig Schauplatz von Hate Speech (Hassrede) sind, also beleidigenden Kommentaren gegen bestimmte Gruppierungen. Durch die Möglichkeit, sich hinter einem Benutzerprofil zu verstecken, gibt es häufig ausgrenzende, rassistische oder frauenfeindliche Kommentare in Gruppenchats.
Zudem bergen Gaming-Chats die Gefahr, dass manche Personen mit Minderjährigen oder jungen Erwachsenen Kontakt aufnehmen und versuchen, sie sexuell zu belästigen. Daher gilt grundsätzlich: Niemals persönliche Daten wie Adresse oder Telefonnummer weitergeben. Verdächtige Nutzer/-innen sollten gemeldet und Vertrauenspersonen zurate gezogen werden.
Für Eltern ist es wichtig, sich mit den Spielen ihres Kindes auseinanderzusetzen und frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um möglichen Gefahren vorzubeugen. Einige Spiele bieten Kinderkonten an, bei denen die Online-Funktionen eingeschränkt sind. Darüber sollten sich Eltern, am besten bevor die Kinder spielen, informieren. Doch auch bei Vorsicht und geeigneten Maßnahmen kann es zu Problemen kommen. In solchen Fällen sollten Eltern und andere Bezugspersonen ruhig mit dem Kind sprechen und ihm den Raum geben, die Situation zu schildern, bevor sie sich an passende Ansprechpartner/-innen wenden. Bei Organisationen wie klicksafe.de und jugendschutz.net gibt es weitere Informationen und Tipps zu Cybergrooming und Hate Speech.
Spielen verbindet – wenn wir achtsam bleiben
Wer vorsichtig und verantwortungsbewusst mit den Risiken umgeht, kann durch Gaming-Communities eine Bereicherung beim Spielen haben. Gemeinsames Spielen kann nicht nur Spaß machen, es hilft auch dabei, soziale Kompetenzen zu entwickeln und Freundschaften zu schließen. Besonders für Jugendliche, aber auch für Erwachsene, kann gemeinsames Gaming die Entwicklung einer eigenen Identität, ein Gemeinschaftsgefühl, Teamfähigkeit und Rollenhandeln fördern und sowohl beim Spielen als auch außerhalb der Gaming-Welt bereichernd sein.
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